Evolution / Selektion
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Über Hybriden und Genbanken
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Die Entdeckung der Hybriden
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Etwa 10 Jahre nachdem Gregor Johann Mendel die Vererbungsgesetze formuliert hatte (um 1866, wurde jedoch
erst um die Jahrhundertwende wissenschaftlich anerkannt),
stellte Charles Darwin im Jahre 1876 fest, dass zwei Kulturpflanzen gleicher Art
aber unterschiedlicher Herkunft, miteinander gekreuzt bei den Nachkommen zu verstärktem
Wachstum führt. "Kreuzungen (Fremdbefruchtungen) sind vorteilhaft, Selbstbefruchtung bewirkt
schwächeres Wachstum".
Amerikanische Forscher versuchten bis dahin, durch forcierte Selbstbefruchtung und
konsequentes Aussortieren von Pflanzen mit unvorteilhaften Eigenschaften besseres
Saatgut zu züchten. Sie erhielten tatsächlich sehr homogenes Saatgut und
reinerbige Linien, der Ertrag nahm dabei jedoch ab.
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Die Hybriden
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William Beal (USA) war der erste, welcher auf Grund der Erkenntnisse von
Charles Darwin mit Mais zu experimentieren begann. Er wählte dazu eine Zahnmais- und eine
Hartmais-Varietät und sääte abwechselnd je eine Reihe.
Von den Pflanzen der einen Varietät schnitt er kurz vor der Blütezeit den
männlichen Blütenstand ab, so dass jede zweite Reihe nur aus kastrierten Pflanzen
bestand, von welchen die Kolben schliesslich geerntet wurden.
Da er sein Feld weitab von anderen Maiskulturen anlegte, konnte er annehmen, dass
das geerntete Saatgut nur aus Kreuzungen der beiden Varietäten bestand. Dieses
Verfahren ähnelt stark dem heutigen Verfahren zur Herstellung von
Hybriden.
Bei der Kultur des Saatgutes stellte er zwar einen quantitativen Mehrertrag fest, zu gering
allerdings, dass es sich gelohnt hätte Saatgut auf diesem Wege kommerziell zu produzieren.
Gleichzeitig arbeiteten zwei europäische Wissenschaftler, Francis Calton, ein
Cousin von Ch. Darvin und der dänische Botaniker Johannsen mit Bohnen. Über
mehrere Generationen (Jahre) forcierten sie die Pflanzen zur Selbstbefruchtung. Sie
erhielten so zwar schwächliche Pflanzen, die sich aber so stark glichen, dass sie
von "reinen Inzuchtlinien" sprachen. Die Pflanzen waren
homozygot.
Ein amerikanischer Wissenschaftler (...Schull) wandte die Theorie der
"reinen Inzuchtlinien" beim Mais an. Durch künstliche Selbstbefruchtung
erhielt er Pflanzen deren Wachstum und Ertrag zwar sanken, die sich aber im Verlauf
der Generationen immer mehr glichen. Er hatte wie die europäischen Forscher mit
der Bohne aus dem Mais reine Inzuchtlinien geschaffen. Nun wollte er die Übertragung
der Anzahl Körnerreihen pro Kolben von einer Generation zur anderen untersuchen. Zu
diesem Zweck kreuzte er zwei seiner Inzuchtlinien. Das Resultat übertraff
all seine Erwartungen.
Die Kreuzungen waren von uniformer Gestalt wie ihre Eltern, jedoch im Gegensatz dazu
sehr wüchsig und ertragreich. Mehrere seiner Kreuzungen
(Hybride) waren ertragreicher als die ursprünglichen
Varietäten aus denen die Inzuchtlinien stammten. Damit hatte er die Hybriden
entdeckt, welche die Maiskultur des 20. Jahrhunderts revolutionierten.
Diese Mais-Hybriden (1908) hatten allerdings zwei entscheidende Nachteile:
- Geringer Ertrag der Elterngeneration (Saatgutproduktion)
Die reinerbigen Elternpflanzen lieferten nur wenig Ertrag. Die Produktion von
hybridem Saatgut war teuer.
- Verlust der Reinerbigkeit bei der Tochtergeneration (Saatgutverwendung)
Bei der Kultur stellten sich die wüchsigen und ertragreichen Pflanzen nicht
mehr durchwegs ein. Es erschienen wieder kümmerliche Pflanzen, welche denen
der verwendeten Inzuchtlinien glichen.
Die Uniformität der nicht reinerbigen Nachkommen zeigte sich nur
in der ersten Tochtergeneration (F1). In einer 2. Tochtergeneration (F2)
erschienen wieder die Elternmerkmale wie z.B. kleinerer Ertrag (ganz nach
G. Mendel, welcher inzwischen wissenschaftlich anerkannt war).
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Doppel-Hybriden
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Im Jahre 1917 kam ein anderer Wissenschaftler, der Amerikaner Jones auf die Idee,
zwei Hybriden unterschiedlicher Herkunft untereinander zu kreuzen. Im ersten Jahr
wurden die Inzuchtlinien A und B, sowie C und D gekreuzt. Im zweiten Jahr wurden die
Nachkommen dieser Kreuzungen untereinander nach dem
Schema (A x B) x (C x D) gekreuzt.
Das Resultat war eine Doppel-Hybride. Ihr Ertrag
war hoch, die Pflanzen homogen und wüchsig, wie bei der einfachen
Hybride. Nun war eine Hybride gefunden worden,
bei denen auch die Eltern ertragreich waren. Einen Zwischenschritt bedeutete
die Dreiweg-Hybride (A x B) x C, bei welcher ein Elternteil ertragreich war.
Der Aufwand und die Kosten zur Erzeugung von hybridem Saatgut wurden kleiner.
Kurz nach dieser neuesten Entdeckung entstanden Programme zu deren Umsetzung.
Aber erst um 1933 wurde hybrides Maissaatgut in den USA in grösserem Umfang verkauft
und angebaut. Um 1950 wuchsen auf mehr als 2/3 der mit Mais angebauten Fläche
Nordamerikas hybride Pflanzen. Etwa in dieser Zeit wurden in Europa die ersten
Hybriden angebaut.
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Genetische Ressourcen, weltweite Monopolisierung
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Das Grundprinzip moderner Selektionsmethoden ist die kontrollierte
gezielte Befruchtung. Gekreuzt wird immer Mais von verschiedener Herkunft.
Auf den amerikanischen Kontinenten, welche die Wiegen der Maiskultur beherbergen,
wurden deshalb tausende von Varietäten nach ihrer Herkunft beschrieben.
Die Varietäten des heutigen
"Corn-Belt", der Maiskammer der USA, konnte man damals hingegen fast an den Fingern einer
Hand abzählen. Unter ihnen befanden sich drei, welche die Siedlungspioniere im
19. Jahrhundert zufälligerweise hervorbrachten: 'Lancester Surecrop', 'Jaune de Kurg'
und 'Willson Farm Reide'.
Im Jahre 1981 stammte ein Drittel des in den USA produzierten Saatgutes von einer einzigen
"künstlichen Varietät", der 'Iowa Stiff Stalk Synthetic' ab. In Westeuropa
haben die meisten Hybriden einen amerikanischen Elternteil aus Zahnmais und einen
europäischen aus Hartmais. Die meisten, im nördlichen Europa angebauten frühen
Hartmais-Hybriden stammen von zwei Inzuchtlinien (F2 und F7) aus der
Varietät 'Lacanne' mit Heimat "Tarn et Garonne" ab. Sie stammten genaugenommen
aus einer Mikrokultur (Hausgarten) in La Capte, 720 m.ü.M., Frankreich, wo es einer oder
zwei Kolben geschafft haben, ganz auszureifen. Wissenschaftler der
INRA
züchteten daraus diese legendären Inzuchtlinien.
Studien über Mais-Hybriden zeigten, dass die genetische Herkunft des
Ausgangs-Saatgutes möglichst breit gefächert sein sollte. W. L. Brown schätze,
dass 1980 weltweit etwa 25'000 Varietäten konserviert wurden. Ausser bezüglich ihrer Herkunft
gab es aber kein Dokument, welches die Varietäten, die vor den Hybriden kultiviert
wurden, ausführlich beschrieb. Ein solches wäre für Saatgutproduzenten interessant gewesen,
um neue Kreuzungen zu realisieren. Es liesse sich auch aus Archiven herstellen. Ein weiteres
Inventar müsste die Varietäten beiinhalten, welche heute noch existieren.
Die genetische Vielfalt
der Maisvarietäten wird durch unzählige nicht industriell bewirtschaftete (Klein-) Betriebe gewährleistet,
welche traditionsgemäss ihre eigenen Varietäten kultivieren und erneuern. Ein Aufgabe,
welche kein multinationaler Konzern alleine bewerkstelligen könnte.
Da nun schon ein halbes Jahrhundert seit der Einführung der Hybriden (in Europa) vergangen
ist, werden die traditionell anbauenden Landwirte immer älter und seltener. Die Varietäten sterben
mit ihnen aus. Fremdbestäubungen mit hybridem Pollen verändern die Varietäten zudem
mehr oder weniger.
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Verarmung der Biodiversität durch Etablierung der Hybriden
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Im Jahre 1967 beschrieb H. G. Wilkes 72 Teosinten-Varietäten (Rayanagras). Ihre Verbreitung
ist viel kleiner als diejenige des Mais und beschränkt sich mehr oder weniger auf ihre
Herkunftsgebiete in den zentralamerikanischen Hochebenen. Die Gefahr des Aussterbens ist hier
noch viel grösser als beim Mais. Nur einige Forscher besitzen Sammlungen,
so T. A. Kato, G. W. Beadle, R. Mck Bird, W. C. Galinat und H. H. Iltis. In Europa wurde
das Rayanagras wieder vergessen und ist fast inexistent.
Beim Gamagras (Tripsacum) gibt es nur einige botanische Beschreibungen seiner Arten.
Seit kurzem erst wird es in den USA und in Mexiko auf eine Verwendung zur
Kreuzung mit Mais hin untersucht.
Die beiden Aspekte des Problemes der Erosion der genetischen Vielfalt bei Kulturpflanzen,
ihre Sammlung und deren Erhaltung sind untrennbar miteinander verknüpft. Es ist zwecklos
Saatgut-Muster zu sammeln, wenn es unmöglich ist diese am Leben zu erhalten.
Dabei ist der Verlust der genetischen Vielfalt bei den Kulturpflanzen zwar riesig und
irreversibel, er findet aber in noch grösserem Ausmass bei den Wildpflanzen statt. Im
August 1999 fand der internationale Botaniker-Kongress in St. Louis, Missouri-USA statt.
Die Wissenschaftler beklagten ein Massenaussterben in einem nie dagewesenen
Ausmass und Tempo. Und weiter prophezeiten sie, dass diese Entwicklung etwa ab
2050 direkt auch die Menschheit bedrohe...
Der rasche Rückgang des Rayanagrases in Mexiko ist beispielhaft. Die Populationen
leiden unter der Überweidung, unter Herbiziden und unter Einkreuzungen von
hybridem Mais. Sie werden auch von anderen Kulturen verdrängt.
Bei den wichtigsten Kulturpflanzen scheint die Lage etwas weniger kritisch als bei
den Wildpflanzen. Anfangs der 80er-Jahre wurden laut Schätzung weltweit
26-30'000 Sorten Weizen, 22'000 Sorten Sorgho, 12-14'000 Reis-, 7'000 Soja-,
6'000 Erdnuss-, 3'000 Baumwoll- und 1'000 Hirse-Sorten konserviert.
Von den genannten Kulturpflanzen sind die Maisvarietäten wohl am besten untersucht,
dokumentiert und unterhalten. Etliche Samenbanken mit dem Ziel die Varietäten zu
erhalten wurden
eingerichtet. Die Züchter der Hybriden haben in der Regel ihre eigenen Sammlungen. Aber
auch Sammlungen garantieren die Erhaltung der genetischen Vielfalt einer Varietät nicht.
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Beispiel Rockfeller Foundation
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Im Auftrag der mexikanischen Regierung und der Rockfeller Foundation wurde 1943
Saatgut von 11'000 einheimischen Maisvarietäten gesammelt. Es wurden
morphologische,
physiologische, und geografische Daten erfasst,
zytologische und
ethno-botanische Studien erstellt. Leider wurde langezeit nur konserviert und nicht
erhalten. Dazu kamen technische Pannen, welche grosse Verluste verursachten:
Vor etwa 25 Jahren wurde diese Sammlung aufgeteilt, um einen Teil nach
Kolumbien zu transportieren. Das Flugzeug stürzte ab... und der er in Mexiko
aufbewahrte Teil wurde durch eine Überschwemmung zerstört. Seither werden
Sammlungen aus Sicherheitsgründen örtlich getrennt aufbewahrt.
Aber auch sonst gab es Verluste in grossen Sammlungen. Das
"Centro International de Melioramento de Maïz y Trigo" (CIMMYT)
und das "Institut National des Investigationes Agricoles" (INIA) besitzen
die grössten Kulturpflanzen-Sammlungen aus Mexiko, Guatemala und der Karibik.
Aber sie unterhielten um 1980 keine Kulturen in höheren Lagen über Meer, um die
dortigen Varietäten auch zu erhalten. Ebenso waren in Peru die meisten
Maisvarietäten um diese Zeit am Verschwinden.
Heute werden in Mexiko nur noch 20 % der in den 30er-Jahren genutzten,
lokalen Maisvarietäten (damals noch Sorten) angebaut. Noch grösser ist
der Verlust an Varietäten in nördlicheren Anbaugebieten.
Millionen von Portionen pflanzengenetischer Ressourcen lagern in über
1'300 Genbanken auf der ganzen Welt. Eine der ältesten und weltweit grössten
Genbanken befindet sich in Gatersleben im Bundesland Sachsen-Anhalt (D);
sie umfasst 100'000 Muster.
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"Ex situ" oder "on farm"
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Über die Art und Weise, wie die biologische Vielfalt bei
den Kulturpflanzen erhalten werden kann und sollte, gehen die Meinungen auseinander.
"Ex situ" (in Erneuerungskulturen der Genbanken) oder
"on farm" respektive "in situ" (am ursprünglichen Standort) lauten die
Stichworte, welche die internationale Diskussion beherrschen. Genbankleiter sind
pessimistisch, was die Erhaltung von Kulturpflanzen "on farm", also an ihren traditionellen
Standorten, betrifft. Es müsste die ganze Kultur, in der die Pflanzen entstanden
sind, erhalten werden. Dies aber würde bedeuten, den Fortschritt aufzuhalten und
das sei nun mal nicht möglich. So gesehen gebe es zur Zeit keine bessere
Möglichkleit, als die genetischen Ressourcen in Genbanken aufzubewahren.
Wir sind da anderer Ansicht:
Genbanken sind viel zu störungsanfällig, als dass
sie das dauerhafte Überleben einer Vielfalt von Kulturpflanzen
garantieren könnten.
Einer lebendigen Weiterentwicklung unterschiedlichster Ausprägungen von
Pflanzen steht auch der konservierende Ansatz der Genbanken im Weg. Auf
Dauer kann die Vielfalt nur in einer vielfältigen Landwirtschaft
und Kultur gesichert werden.
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